Die indische Fahrprüfung
Hans Müller
In eigener Sache darf ich die erfreuliche Mitteilung machen, dass ich die indische Fahrprüfung mit Bravour hinter mich gebracht habe und demgemäss den indischen Führerschein für Scooter, Motorrad, Autorickshaw und Personenwagen erhalten werde. Und dies wohlgemerkt ohne eine Rupie Schmiergeld !!! Allerdings hatte ich mich vielleicht gerade deshalb durch einen langen und mühsamen Instanzenweg durchzuboxen. Selbst in Kerala ist es sehr schwierig, einen Beamten zu finden, welcher einem weiterhilft, ohne dabei die hohle Hand zu machen.
Die technische Seite und auch die Theorie an sich gingen soweit glatt durch, wenn nur das stundenlange Warten, zum Teil an der prallen Sonne, in einer Schlange von ein paar hundert Leuten nicht gewesen wäre. Es gab natürlich schon erstaunte Gesichter, an denen man die Frage ablesen konnte, was wohl dieser bärtige und dazu noch weisse Grossvater hier zu suchen hat. Viele meinten sicher, ich hätte mich an eine falsche Veranstaltung verirrt. Und noch grösser war dann das Erstaunen, als ich im Prüfungsgebäude vor ein paar grimmig dreinschauenden und als ranghohe Polizisten verkleideten Regierungsbeamten den ganzen Papierkram hinter mich brachte, mich dann ganz lässig und wie selbstverständlich in eine für mich viel zu kleine Schulbank klemmte und die Antworten auf die zwanzig Fragen von einem schon sehr abgenutzten und kaum mehr lesbaren Bogen fein säuberlich auf mein Prüfungsblatt eintrug. Nachher hiess es wieder nur ein paar wenige Stunden draussen in der Menge warten, bis ich dann endlich am späteren Nachmittag meine Unterlagen mit dem Vermerk "bestanden" wieder zurück bekam. Zusammen mit dem Lernfahrausweis, welcher mich nun zum Bezug des definitiven Führerscheins berechtigt. Natürlich auch wieder mit einem Wust von weiteren Formularen mit vielen Stempeln und schwungvollen, wenn auch unlesbaren Unterschriften. Einer der ebenfalls und wohl aus beruflichen Gründen grimmig dreinschauender Experte meinte, in der Betätigung der Hupe dürfte ich getrost noch ein paar Zacken zulegen. So werde ich halt auch der keralitischen Hupkultur meine ganz besondere Aufmerksamkeit schenken und fleissiger und freudig das Doppelhorn betätigen oder fröhlich hupen; man ist ja noch lernfähig und will nicht gern als Kulturbanause gelten. Immerhin darf ich mich rühmen, hier der einzige Weisse zu sein, welcher im zarten Alter von bald siebzig Jahren einen indischen Führerschein erworben hat, auf einen Monat genau 47 Jahre nach der Fahrprüfung im schweizerischen Zürich. Und der zum grossen Erstaunen der Einheimischen und der Touristen immer noch selber sein Auto durch den chaotischen Verkehr steuert und mit Elan und grosser Freude mit seiner Autorickshaw durch das Städtchen kurvt.
Varkala, 17. April 1999
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