Schriftenreihe Privat

Wednesday, January 10, 2007

Die indische Fahrprüfung

Hans Müller

In eigener Sache darf ich die erfreuliche Mitteilung ma­chen, dass ich die indische Fahrprü­fung mit Bravour hinter mich gebracht habe und demgemäss den indischen Führerschein für Scooter, Motorrad, Autorickshaw und Personenwagen erhalten werde. Und dies wohlgemerkt ohne eine Rupie Schmiergeld !!! Allerdings hatte ich mich vielleicht gerade deshalb durch einen langen und mühsamen Instanzenweg durchzuboxen. Selbst in Kerala ist es sehr schwierig, einen Beamten zu finden, welcher einem weiterhilft, ohne dabei die hohle Hand zu machen.

Die technische Seite und auch die Theorie an sich gingen soweit glatt durch, wenn nur das stundenlange Warten, zum Teil an der prallen Sonne, in ei­ner Schlange von ein paar hundert Leu­ten nicht gewesen wäre. Es gab natür­lich schon er­staunte Gesichter, an de­nen man die Frage ablesen konnte, was wohl dieser bärtige und dazu noch weisse Grossvater hier zu suchen hat. Viele meinten si­cher, ich hätte mich an eine fal­sche Veranstal­tung verirrt. Und noch grösser war dann das Erstaunen, als ich im Prü­fungsge­bäude vor ein paar grimmig drein­schauenden und als ranghohe Polizisten verkleideten Re­gie­rungsbe­amten den ganzen Papierkram hinter mich brachte, mich dann ganz läs­sig und wie selbstverständlich in eine für mich viel zu kleine Schulbank klemmte und die Ant­worten auf die zwanzig Fragen von einem schon sehr ab­genutz­ten und kaum mehr lesbaren Bogen fein säuberlich auf mein Prüfungsblatt eintrug. Nachher hiess es wieder nur ein paar wenige Stun­den draussen in der Menge warten, bis ich dann endlich am späte­ren Nachmittag meine Un­terla­gen mit dem Vermerk "bestanden" wieder zu­rück bekam. Zusam­men mit dem Lern­fahr­ausweis, welcher mich nun zum Bezug des definitiven Führer­scheins be­rechtigt. Na­türlich auch wieder mit einem Wust von wei­teren For­mularen mit vielen Stempeln und schwungvol­len, wenn auch unlesbaren Unterschriften. Einer der ebenfalls und wohl aus beruflichen Gründen grimmig dreinschauender Experte meinte, in der Betäti­gung der Hupe dürfte ich ge­trost noch ein paar Zacken zulegen. So werde ich halt auch der keralitischen Hup­kultur meine ganz besondere Aufmerk­samkeit schenken und fleissiger und freudig das Doppel­horn betäti­gen oder fröhlich hupen; man ist ja noch lernfähig und will nicht gern als Kulturbanause gel­ten. Immerhin darf ich mich rühmen, hier der einzige Weisse zu sein, welcher im zarten Alter von bald siebzig Jahren einen indi­schen Füh­rerschein erworben hat, auf einen Monat genau 47 Jahre nach der Fahr­prüfung im schweizerischen Zürich. Und der zum grossen Erstaunen der Einheimischen und der Touristen immer noch selber sein Auto durch den chaoti­schen Verkehr steuert und mit Elan und grosser Freude mit seiner Autorickshaw durch das Städtchen kurvt.

Varkala, 17. April 1999

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