Wer wandert denn schon nach Indien aus ?
Johanna Hoffmann
gggg
Wenn man von Schweizern vernimmt, dass sie ausgewandert sind, dann denkt man sofort an Spanien, Südfrankreich oder Kanada. Dass es aber auch solche gibt, welche nach Indien auswandern, tönt schon fast verdächtig. Sicher Leute, welche dort ihren Guru suchen oder sich selber finden wollen, ist dann schnell der nächste Gedanke. Dass dem aber gar nicht so sein muss, zeigt der folgende Reisebericht von Johanna Hoffmann.
Der Einladung von Yvonne, einer ehemaligen Schulkollegin folgend, fasste ich den Entschluss, nach dem fernen Indien zu fliegen. Der Flug im bequemen Airbus der Air Lanka führte mich von Zürich über Colombo nach Trivandrum, der Hauptstadt Keralas in Südindien. Yvonne begrüsste mich am Flughafen im landesüblichen Sari und ich staunte nicht schlecht, als sie mich bat, in ihrem, am Heck mit einem Schweizerkreuz-Kleber versehenen Auto Platz zu nehmen.
In abenteuerlicher Fahrt über holperige Strassen brachte uns der Chauffeur nach Varkala, dem jetzigen Wohnort von Yvonne und ihrem Mann Hans. Vor einem grossen, wunderschönen Haus wurde Halt gemacht und ich dachte, dass Yvonne hier etwas zu besorgen hätte. Aber nach zweimaligem Hupen wurde das grosse Tor geöffnet und wir fuhren direkt auf den Vorplatz der Villa Deepam. Yvonne führte mich in das für mich liebevoll vorbereitete grosse Gästezimmer mit eigenem Ankleideraum und Bad. Bei einem herrlichen Willkommensdrink aus frischen Ananas wurde mir zur Begrüssung eine Blumengirlande umgehängt. Müde von der langen Reise legte ich mich auf Empfehlung meiner Gastgeber ins Bett und fiel sofort in einen tiefen und erholsamen Schlaf. Ich hatte nicht nur eine lange Reise hinter mir, sondern musste meine innere Uhr auch an die Zeitverschiebung von viereinhalb Stunden gewöhnen.
Am späten Nachmittag sassen wir auf der grossen, mit einem Palmdach überdeckten Dachterrasse und hatten uns viel zu erzählen, war es doch schon einige Jahre her, dass wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Ich war natürlich vor allem neugierig darauf, zu erfahren, wieso Yvonne und ihr Mann sich ausgerechnet in Indien niedergelassen hatten. Yvonne begann zu erzählen:
Die Geschichte einer Auswanderung
Hans und ich haben uns einen langjährigen Traum erfüllt. Es war schon immer unser Wunsch, in einem wärmeren Land, ohne Hektik und Stress zu leben. Durch eine Bekannte wurden wir auf Kerala aufmerksam gemacht, einen kleinen Staat in Südindien, von dem wir bisher noch nie etwas gehört hatten. So begann ich, alles zusammen zu tragen, was ich über Kerala finden konnte. Wir erkundigten uns bei Leuten, welche schon in Indien waren. Bei dieser Gelegenheit lernen wir auch Inder kennen, mit denen wir heute noch freundschaftlich verbunden sind. Dabei sind wir auf eine Hilfsbereitschaft gestossen, welche wir bisher nur selten fanden; alle versuchten uns irgendwie weiterzuhelfen.
Nach einer "theoretischen" Vorbereitungszeit, während welcher wir sehr viel von Indien und vor allem von Kerala in Erfahrung brachten, flogen wir im Januar 1996 für vier Wochen nach Kerala. Bevor wir uns zur endgültigen Auswanderung entschlossen, wollten und mussten wir dieses Land ja auch noch "praktisch" kennenlernen. Auch hier hatten wir wiederum das grosse Glück, fortlaufend Leute zu treffen, welche uns weiterhalfen. Wir reisten in Kerala umher, um herauszufinden, wo es uns am besten gefallen würde. So kamen wir ins Landesinnere, dann in die Hafenstadt Cochin und weiter an die Backwaters, ein weitverzweigtes über 3'000 Kilometer langes Wasserstrassennetz. Ueberall fanden wir freundliche Menschen und vor allem fühlten wir uns in diesem warmen Klima ausserordentlich wohl.
Noch hatten wir aber nicht den Ort gefunden, wo wir uns niederlassen wollten, wir wussten nur, dass wir auf jeden Fall in der Nähe des Meeres wohnen möchten. Durch einen weiteren glücklichen Zufall lernten wir ein Architektenpaar aus Bern kennen, welches schon seit vielen Jahren teils in der Schweiz, teils in Kerala lebt. Von denen erhielten wir den Tip, nach Varkala zu gehen. Gesagt, getan. Und tatsächlich, vier Tage vor unserer Rückkehr in die Schweiz fanden wir den Ort, wo es uns gefiel und wir uns ein Leben zu zweit vorstellen konnten. Wir besichtigten auch ein Haus, das wir hätten mieten können. So stand unser Entschluss, den grossen Schritt endgültig zu wagen, bereits einen Tag vor unserer Rückreise fest. Als Termin wählten wir den Monat August, weil dann die Hauptregenzeit in Kerala vorüber ist.
Die Vorbereitungszeit
Zurück in der Schweiz, begann für uns eine hektische Zeit. Wir mussten unseren Familien, Verwandten, Bekannten und Freunden unsere Auswanderungsabsicht mitteilen. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste noch niemand etwas von unseren Plänen. Mehrheitlich fanden wir nach dem ersten Erstaunen Verständnis für unseren Entschluss. Nur meine Eltern hatten es anfänglich schwer, zu begreifen, dass wir in ein so fernes und unbekanntes Land auswandern wollten. Inzwischen haben sie es aber akzeptiert und meine Mutter war sogar schon einmal drei Wochen bei uns zu Besuch.
Jetzt begann das Rennen gegen die Zeit. Da wir auf Empfehlung unserer neuen Bekannten in Kerala beschlossen hatten, nur die persönlichsten Sachen mitzunehmen, mussten wir unseren Haushalt auflösen, die Wohnung kündigen, unser Schiff und die Autos verkaufen. Ich liess in einer Tageszeitung ein kleines Inserat erscheinen, dass wir zufolge Auswanderung unseren gesamten Hausrat verkaufen. Und das Unglaubliche geschah tatsächlich, innerhalb von nur drei Stunden war praktisch alles verkauft. So fanden wir uns am Abend in unserer Wohnung nur noch mit den allernötigsten Einrichtungsgegenständen. Es blieben nur noch jene Sachen, welche wir nach Kerala mitnehmen wollten; meine vielen Fotoalben, unsere Bücher, Videos, Fotokameras und einen Teil der Wäsche. Meine Kleider verkaufte ich einem Secondhand-Shop. Unsere Habe, welche wir mitnehmen wollten, verpackten wir in grosse Kartons und gaben sie einem Transportunternehmen ins Lager zur späteren Spedition nach Kerala.
Im März 1996 flog mein Mann nochmals für zehn Tage nach Kerala, um alles mit dem Haus klar zu machen. Statt des von uns im Januar besichtigten, relativ einfachen Hauses, fand er ein grösseres und schöneres Haus in der Nähe der Klippen, welches wir ab August vorerst bis im März 1997 mieteten.
Das Wohnungsproblem in Bern lösten wir insofern auf eine etwas ungewöhnliche, aber nicht minder originelle Weise, indem wir vom Mai bis zu unserer Abreise im August auf einem Campingplatz in der Nähe von Bern einen Wohnwagen mieteten und so unsere letzten drei Monate in der Schweiz im Camping wohnten. So hatten wir genügend Zeit, unsere Wohnung zu reinigen und abzugeben und alle mit der Abreise zusammenhängenden Aufgaben, insbesondere auch die Beschaffung der Visas und den ganzen Behördenkram zu erledigen. Sodann galt es, nicht nur von den vielen Bekannten und Freunden, sondern auch von der "Merlotscha" unserem Schiff, Abschied zu nehmen, auf welchem wir über zehn Jahre lang fast alle unsere Wochenenden und einen Grossteil unserer Ferien verbracht hatten.
Auf nach Indien
Am 17. August 1996 war es dann soweit. Auf dem Flughafen Kloten von der Familie und Freunden verabschiedet, verliessen wir endgültig unsere alte Heimat. Einen Tag später kamen wir in Trivandrum an, wo wir von unserem indischen Freund Bose abgeholt und nach Varkala gefahren wurden. Da wartete nicht das grosse Abenteuer, sondern ganz im Gegenteil recht harte Arbeit auf uns. Es galt, das gemietete Haus, welches wir in einem typisch indischen Zustand vorfanden, zuerst einmal von unten bis oben gründlich zu reinigen. Zudem mussten wir eine neue Inneneinrichtung anschaffen. Alles ist hier viel günstiger zu haben. Was wir nicht fertig kaufen konnten, liessen wir von zwei Schreinern auf dem Vorplatz unseres Hauses nach Mass anfertigen.
Dann mussten wir unser mitgebrachtes Hab und Gut aus dem Zollfreilager auslösen, was einen vollen Tag in Anspruch nahm und unsere Nerven ziemlich strapazierte. Aber mit der Hilfe unseres Freundes Bose überwanden wir auch diese Schwierigkeiten. Was uns vor allem freute, war die Tatsache, dass alles in bestem Zustand angekommen und nicht ein einziges Stück beschädigt war.
Nun galt es, unsere neue Umgebung kennen zu lernen, vor allem auch die Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf. Da unser Haus gut drei Kilometer vom Städtchen Varkala entfernt war, kauften wir kurzerhand eine Vespa, mit welcher wir unsere täglichen Einkäufe erledigten. In der Zwischenzeit hatten wir auch ein eigenes Auto angeschafft, einen hier in Indien fabrizierten Ambassador. Dieses Auto wird seit 1957 unverändert gebaut und ist zu fahren wie ein Traktor, aber es ist für die hiesigen Strassen bestens geeignet. Im Herbst 1997 haben wir die Vespa verkauft und dafür eine Autorikscha angeschafft, ein dreirädriges Gefährt mit einem 150 ccm Motor. Diese Rikschas sieht man hier dutzendweise, sie werden als Kleintaxi eingesetzt. Wir sind die ersten Privaten, welche sich so eine praktische Rikscha zugelegt haben. In Varkala und in der näheren Umgebung fährt Hans selber, womit er hier zu einem Unikum geworden ist, denn weit und breit ist er der einzige Weisse, der selber am Steuer sitzt. Für weitere Strecken lassen wir uns aber durch unseren Chauffeur fahren, weil es relativ schwierig ist, sich zu orientieren. Genaue Strassenkarten gibt es nicht und wenn schon einmal eine Strasse bezeichnet ist, dann nur in der für uns noch nicht enzifferbaren Landessprache.
Nachdem wir uns im Prabhava, wie unser erstes Haus hiess, so richtig eingelebt hatten, durften wir schon die ersten Besucher aus der alten Heimat bei uns empfangen. Das ging dann mit nur kleinen Unterbrüchen bis heute so weiter.
Schneller als erwartet, gewöhnten wir uns an das hiesige sehr gleichmässige Klima. Die Tagestemperaturen bewegen sich zwischen 28 und 34° Celsius, in der Nacht zwischen 25 und 28°. Die Luftfeuchtigkeit ist mit ca. 80 % recht hoch, was zur Folge hat, dass man schon bei der kleinsten Anstrengung ins Schwitzen kommt. Aber auch daran gewöhnt man sich sehr schnell, vor allem auch deshalb, weil hier vom Meer her immer eine angenehme Brise weht.
Kleider machen Leute
Da wir uns hier ja in die Bevölkerung integrieren wollen, haben wir von Anfang an darauf geachtet, möglichst nicht durch westliche Kleidung aufzufallen. So trägt Hans im Haus die hier üblichen Dothi oder Lunghi, ein weisses bzw. farbiges Hüfttuch, darüber ein Hemd oder nur einen dünnen Schal. Auf die Strasse geht er mit der Kurta, das ist eine lange Hose und darüber ein bis unter die Knie reichendes Hemd, beides aus Baumwolle und sehr bequem zu tragen. Ich habe daheim meistens einen langen Jupe und eine Bluse an. Ausser Haus trage ich den Churydar (lange Hose, darüber ein langer Rock sowie einen dazugehörigen Schal) oder einen Sari. Dieser besteht aus einem sechs Meter langen Stück Stoff, welches kunstvoll um den Körper drapiert wird, darunter trägt man einen Unterrock und eine ganz eng geschnittene kurze Saribluse. Als Fussbekleidung tragen hier alle einfache Schlappen. Mit anderen Worten: die Kleiderfrage ist für uns hier kein Problem.
Vom Glück verwöhnt
Im Dezember 1996 kam für uns ein weiterer Glücksfall, indem wir zufällig unser Traumhaus fanden. Es ist zwar etwas weiter von der Küste und dem Strand entfernt, aber wir haben von hier aus einen wunderschönen Ausblick auf die palmenbewachsenen Täler unter uns. Wenn wir die Miete mit der Schweiz vergleichen, können wir hier für den Betrag, den wir in Bern für unsere Wohnung im Monat bezahlen mussten, ein ganzes Jahr in diesem grossen Haus wohnen. Ueberhaupt sind die Lebenshaltungskosten hier so niedrig, dass wir mit der Altersrente meines Mannes sehr gut und komfortabel leben können.
Ein so grosses Haus gibt natürlich entsprechend viel Arbeit. So haben wir nach einer Hausangestellten gesucht. Nach zwei vergeblichen Anläufen haben wir unsere Santha gefunden, welche sich als wirkliche Perle herausgestellt hat. Sie wohnt bei uns in der neben dem Haus gelegenen Dienstbotenwohnung. Santha kauft täglich auf dem nahen Markt ein und verwöhnt uns mit der keralitischen Küche. Daneben hält sie unser Haus sauber, so dass ich mich um gar nichts mehr kümmern muss und mich ganz unseren Gästen widmen kann. Seit Oktober 1997 haben wir auch Savitha, das fünfjährige Töchterchen unserer Hausangestellten, bei uns aufgenommen. Savitha bereitet uns sehr viel Freude und bereichert unseren Alltag. Sie besucht eine englische Schule am anderen Ende von Varkala. Savitha hat in ihrem kurzen Leben schon viel Leid erfahren müssen, um so mehr erfüllt es uns heute mit Genugtuung, dass wir ihrer Mutter und ihr ein sicheres Zuhause bieten, für den Lebensunterhalt aufkommen und somit ein kleines Stück des uns zufallenden Glücks weiter geben können.
Fremde Länder, fremde Speisen
Soweit die Erklärungen von Yvonne, während am Horizont die Sonne in einer grossen orangefarbigen Scheibe ins Meer versinkt. Wir gehen hinunter ins grosse Esszimmer, wo Santha den Tisch gedeckt hat. Nach keralitischer Sitte schöpft sie uns ein köstliches vegetarisches Mahl auf ein grosses Bananenblatt. Nebst Reis gibt es sieben verschiedene Gemüsecurries, jedes hat einen andern Geschmack. Dazu gibt es knackiges Paparam, eine Art Fasnachtsküchlein, aber statt süss, recht scharf. Die Curries sind herrlich würzig, doch nicht so scharf, dass einem die Luft wegbleibt. Zum Trinken gibt es Mineralwasser. Das Ungewohnte für mich war, dass kein Besteck vorhanden war und wir mit den Fingern essen mussten, wie es hier die Einheimischen tun. Yvonne zeigte mir, wie man das Essen mit den Fingern in den Mund bringt und meinte dazu lachend: nicht dass du jetzt meinst, wir essen immer so, gewöhnlich benützen wir auch Teller und Besteck. Dies hier mit dem Bananenblatt hat sich Santha zu deiner Begrüssung ausgedacht. Zum Dessert gab es jede Menge von verschiedenen frischen Früchten, köstliche Bananen, Ananas, Mangos, Papayas, Orangen und Trauben. Nachher tranken wir Chaya, den Tee, welcher mit Milch und Zucker gemischt und dann so serviert wird. Es würde zu weit führen, alle die Gerichte aufzuzählen, welche ich während meines Besuches hier kosten durfte. Jedoch habe ich mein Vorurteil gegenüber der vegetarischen Kost schnell revidieren müssen, denn die keralitische Küche bietet mit ihren einfachen, aber raffiniert zubereiteten Spezialitäten so viel Abwechslung, dass sie einem gar nie verleiden kann.
Am nächsten Tag zeigte mir Yvonne das grosse Haus und den Garten. Was mich am meisten verblüffte, waren die beiden grossen Küchen. Ich liess mich belehren, dass man diese Aufteilung in grossen Häusern recht oft findet. Man unterscheidet dabei zwischen der grossen Küche, in welcher gekocht und die Speisen zum servieren vorbereitet werden und der kleinen, sogenannten schmutzigen Küche, in welcher das Gemüse gerüstet, der Fisch geputzt wird, etc. Im oberen Stockwerk befinden sich die beiden grossen und komfortabel eingerichteten Gästezimmer, jedes natürlich mit eigenem Badezimmer. Eine grosse gedeckte Terrasse ist für die Gäste reserviert und lädt zum ausruhen, lesen oder einfach dasitzen ein. Der elterlichen Tradition folgend vermietet Yvonne diese beiden Gästezimmer an Touristen, welche ihr durch befreundete Reisebüros vermittelt werden. Es sind vornehmlich Gäste, welche es vorziehen, Kerala individuell zu bereisen und nicht in Gruppenhorden von Ort zu Ort gehetzt werden wollen. Aus der Not haben so Yvonne und Hans eine Tugend gemacht und ein eigenes kleines Reisebüro aufgezogen, die Merlotscha Travels Kerala. Ausser der persönlichen Betreuung der Gäste können sie verschiedene Ausflüge und individuelle Rundreisen in Kerala organisieren. Damit ist gewährleistet, dass die Gäste ohne Stress möglichst viele Eindrücke von Kerala gewinnen und mit nach Hause nehmen können.
Integration als Lernprozess
Und wie war es mit dem viel zitierten Kulturschock? Meine Gastgeber meinten, der Kulturschock hätte sie zwar nicht gerade umgehauen, aber das eintauchen in diese für uns doch sehr fremde Kultur sei nicht nur eine überwältigende und faszinierende Erfahrung, sondern auch ein Lernprozess, welcher Jahre dauert. Man benötigt dafür eine gesunde Neugier und Offenheit, um die ganz anderen Umstände und Gewohnheiten zu akzeptieren. Vor allem darf man nicht den Fehler begehen, alles immer mit Europa oder der Schweiz vergleichen zu wollen. Wohl in keinem anderen Land als in Indien finden sich so unendlich grosse Gegensätze. Uralte Traditionen und modernste Technik berühren sich praktisch nahtlos. Dazu kommt die tiefe Verwurzelung in den religiösen Bräuchen. Eine Besonderheit in Kerala ist das friedliche Zusammenleben verschiedener Religionen; den Hauptteil machen die Hindus aus, je ungefähr einen Viertel stellen die Moslems und Christen und ein kleinerer Anteil sind Buddhisten. Das Eigenartige dieser gemischten Religionsgemeinschaft besteht darin, dass alle immer gemeinsam alle ihre religiösen Feste feiern - und deren gibt es hier unzählige. Yvonne empfiehlt in diesem Zusammenhang allen Reisenden, welche Indien zum ersten Mal besuchen, sich vor Antritt der Reise unbedingt durch Reiseführer und entsprechende Literatur vorzubereiten. So ist es einfacher, der Andersartigkeit dieses in alten Traditionen verwurzelten Volkes zu begegnen und dessen vielfältige Sitten und Gebräuche besser verstehen zu lernen.
Ich könnte noch so viel erzählen von meinen Aufenthalt in Varkala, von den vielen unvergesslichen Eindrücken und Erlebnissen in Kerala und der kurzen Rundreise durch diesen interessanten Staat in Südindien. Und ich kann jetzt auch Yvonne und Hans verstehen, wenn sie freudestrahlend bestätigen, dass sie ihren Entschluss, nach Kerala auszuwandern, noch keine Sekunde bereuten und glücklich sind, hier eine neue Heimat gefunden zu haben.
Der Einladung von Yvonne, einer ehemaligen Schulkollegin folgend, fasste ich den Entschluss, nach dem fernen Indien zu fliegen. Der Flug im bequemen Airbus der Air Lanka führte mich von Zürich über Colombo nach Trivandrum, der Hauptstadt Keralas in Südindien. Yvonne begrüsste mich am Flughafen im landesüblichen Sari und ich staunte nicht schlecht, als sie mich bat, in ihrem, am Heck mit einem Schweizerkreuz-Kleber versehenen Auto Platz zu nehmen.
In abenteuerlicher Fahrt über holperige Strassen brachte uns der Chauffeur nach Varkala, dem jetzigen Wohnort von Yvonne und ihrem Mann Hans. Vor einem grossen, wunderschönen Haus wurde Halt gemacht und ich dachte, dass Yvonne hier etwas zu besorgen hätte. Aber nach zweimaligem Hupen wurde das grosse Tor geöffnet und wir fuhren direkt auf den Vorplatz der Villa Deepam. Yvonne führte mich in das für mich liebevoll vorbereitete grosse Gästezimmer mit eigenem Ankleideraum und Bad. Bei einem herrlichen Willkommensdrink aus frischen Ananas wurde mir zur Begrüssung eine Blumengirlande umgehängt. Müde von der langen Reise legte ich mich auf Empfehlung meiner Gastgeber ins Bett und fiel sofort in einen tiefen und erholsamen Schlaf. Ich hatte nicht nur eine lange Reise hinter mir, sondern musste meine innere Uhr auch an die Zeitverschiebung von viereinhalb Stunden gewöhnen.
Am späten Nachmittag sassen wir auf der grossen, mit einem Palmdach überdeckten Dachterrasse und hatten uns viel zu erzählen, war es doch schon einige Jahre her, dass wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Ich war natürlich vor allem neugierig darauf, zu erfahren, wieso Yvonne und ihr Mann sich ausgerechnet in Indien niedergelassen hatten. Yvonne begann zu erzählen:
Die Geschichte einer Auswanderung
Hans und ich haben uns einen langjährigen Traum erfüllt. Es war schon immer unser Wunsch, in einem wärmeren Land, ohne Hektik und Stress zu leben. Durch eine Bekannte wurden wir auf Kerala aufmerksam gemacht, einen kleinen Staat in Südindien, von dem wir bisher noch nie etwas gehört hatten. So begann ich, alles zusammen zu tragen, was ich über Kerala finden konnte. Wir erkundigten uns bei Leuten, welche schon in Indien waren. Bei dieser Gelegenheit lernen wir auch Inder kennen, mit denen wir heute noch freundschaftlich verbunden sind. Dabei sind wir auf eine Hilfsbereitschaft gestossen, welche wir bisher nur selten fanden; alle versuchten uns irgendwie weiterzuhelfen.
Nach einer "theoretischen" Vorbereitungszeit, während welcher wir sehr viel von Indien und vor allem von Kerala in Erfahrung brachten, flogen wir im Januar 1996 für vier Wochen nach Kerala. Bevor wir uns zur endgültigen Auswanderung entschlossen, wollten und mussten wir dieses Land ja auch noch "praktisch" kennenlernen. Auch hier hatten wir wiederum das grosse Glück, fortlaufend Leute zu treffen, welche uns weiterhalfen. Wir reisten in Kerala umher, um herauszufinden, wo es uns am besten gefallen würde. So kamen wir ins Landesinnere, dann in die Hafenstadt Cochin und weiter an die Backwaters, ein weitverzweigtes über 3'000 Kilometer langes Wasserstrassennetz. Ueberall fanden wir freundliche Menschen und vor allem fühlten wir uns in diesem warmen Klima ausserordentlich wohl.
Noch hatten wir aber nicht den Ort gefunden, wo wir uns niederlassen wollten, wir wussten nur, dass wir auf jeden Fall in der Nähe des Meeres wohnen möchten. Durch einen weiteren glücklichen Zufall lernten wir ein Architektenpaar aus Bern kennen, welches schon seit vielen Jahren teils in der Schweiz, teils in Kerala lebt. Von denen erhielten wir den Tip, nach Varkala zu gehen. Gesagt, getan. Und tatsächlich, vier Tage vor unserer Rückkehr in die Schweiz fanden wir den Ort, wo es uns gefiel und wir uns ein Leben zu zweit vorstellen konnten. Wir besichtigten auch ein Haus, das wir hätten mieten können. So stand unser Entschluss, den grossen Schritt endgültig zu wagen, bereits einen Tag vor unserer Rückreise fest. Als Termin wählten wir den Monat August, weil dann die Hauptregenzeit in Kerala vorüber ist.
Die Vorbereitungszeit
Zurück in der Schweiz, begann für uns eine hektische Zeit. Wir mussten unseren Familien, Verwandten, Bekannten und Freunden unsere Auswanderungsabsicht mitteilen. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste noch niemand etwas von unseren Plänen. Mehrheitlich fanden wir nach dem ersten Erstaunen Verständnis für unseren Entschluss. Nur meine Eltern hatten es anfänglich schwer, zu begreifen, dass wir in ein so fernes und unbekanntes Land auswandern wollten. Inzwischen haben sie es aber akzeptiert und meine Mutter war sogar schon einmal drei Wochen bei uns zu Besuch.
Jetzt begann das Rennen gegen die Zeit. Da wir auf Empfehlung unserer neuen Bekannten in Kerala beschlossen hatten, nur die persönlichsten Sachen mitzunehmen, mussten wir unseren Haushalt auflösen, die Wohnung kündigen, unser Schiff und die Autos verkaufen. Ich liess in einer Tageszeitung ein kleines Inserat erscheinen, dass wir zufolge Auswanderung unseren gesamten Hausrat verkaufen. Und das Unglaubliche geschah tatsächlich, innerhalb von nur drei Stunden war praktisch alles verkauft. So fanden wir uns am Abend in unserer Wohnung nur noch mit den allernötigsten Einrichtungsgegenständen. Es blieben nur noch jene Sachen, welche wir nach Kerala mitnehmen wollten; meine vielen Fotoalben, unsere Bücher, Videos, Fotokameras und einen Teil der Wäsche. Meine Kleider verkaufte ich einem Secondhand-Shop. Unsere Habe, welche wir mitnehmen wollten, verpackten wir in grosse Kartons und gaben sie einem Transportunternehmen ins Lager zur späteren Spedition nach Kerala.
Im März 1996 flog mein Mann nochmals für zehn Tage nach Kerala, um alles mit dem Haus klar zu machen. Statt des von uns im Januar besichtigten, relativ einfachen Hauses, fand er ein grösseres und schöneres Haus in der Nähe der Klippen, welches wir ab August vorerst bis im März 1997 mieteten.
Das Wohnungsproblem in Bern lösten wir insofern auf eine etwas ungewöhnliche, aber nicht minder originelle Weise, indem wir vom Mai bis zu unserer Abreise im August auf einem Campingplatz in der Nähe von Bern einen Wohnwagen mieteten und so unsere letzten drei Monate in der Schweiz im Camping wohnten. So hatten wir genügend Zeit, unsere Wohnung zu reinigen und abzugeben und alle mit der Abreise zusammenhängenden Aufgaben, insbesondere auch die Beschaffung der Visas und den ganzen Behördenkram zu erledigen. Sodann galt es, nicht nur von den vielen Bekannten und Freunden, sondern auch von der "Merlotscha" unserem Schiff, Abschied zu nehmen, auf welchem wir über zehn Jahre lang fast alle unsere Wochenenden und einen Grossteil unserer Ferien verbracht hatten.
Auf nach Indien
Am 17. August 1996 war es dann soweit. Auf dem Flughafen Kloten von der Familie und Freunden verabschiedet, verliessen wir endgültig unsere alte Heimat. Einen Tag später kamen wir in Trivandrum an, wo wir von unserem indischen Freund Bose abgeholt und nach Varkala gefahren wurden. Da wartete nicht das grosse Abenteuer, sondern ganz im Gegenteil recht harte Arbeit auf uns. Es galt, das gemietete Haus, welches wir in einem typisch indischen Zustand vorfanden, zuerst einmal von unten bis oben gründlich zu reinigen. Zudem mussten wir eine neue Inneneinrichtung anschaffen. Alles ist hier viel günstiger zu haben. Was wir nicht fertig kaufen konnten, liessen wir von zwei Schreinern auf dem Vorplatz unseres Hauses nach Mass anfertigen.
Dann mussten wir unser mitgebrachtes Hab und Gut aus dem Zollfreilager auslösen, was einen vollen Tag in Anspruch nahm und unsere Nerven ziemlich strapazierte. Aber mit der Hilfe unseres Freundes Bose überwanden wir auch diese Schwierigkeiten. Was uns vor allem freute, war die Tatsache, dass alles in bestem Zustand angekommen und nicht ein einziges Stück beschädigt war.
Nun galt es, unsere neue Umgebung kennen zu lernen, vor allem auch die Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf. Da unser Haus gut drei Kilometer vom Städtchen Varkala entfernt war, kauften wir kurzerhand eine Vespa, mit welcher wir unsere täglichen Einkäufe erledigten. In der Zwischenzeit hatten wir auch ein eigenes Auto angeschafft, einen hier in Indien fabrizierten Ambassador. Dieses Auto wird seit 1957 unverändert gebaut und ist zu fahren wie ein Traktor, aber es ist für die hiesigen Strassen bestens geeignet. Im Herbst 1997 haben wir die Vespa verkauft und dafür eine Autorikscha angeschafft, ein dreirädriges Gefährt mit einem 150 ccm Motor. Diese Rikschas sieht man hier dutzendweise, sie werden als Kleintaxi eingesetzt. Wir sind die ersten Privaten, welche sich so eine praktische Rikscha zugelegt haben. In Varkala und in der näheren Umgebung fährt Hans selber, womit er hier zu einem Unikum geworden ist, denn weit und breit ist er der einzige Weisse, der selber am Steuer sitzt. Für weitere Strecken lassen wir uns aber durch unseren Chauffeur fahren, weil es relativ schwierig ist, sich zu orientieren. Genaue Strassenkarten gibt es nicht und wenn schon einmal eine Strasse bezeichnet ist, dann nur in der für uns noch nicht enzifferbaren Landessprache.
Nachdem wir uns im Prabhava, wie unser erstes Haus hiess, so richtig eingelebt hatten, durften wir schon die ersten Besucher aus der alten Heimat bei uns empfangen. Das ging dann mit nur kleinen Unterbrüchen bis heute so weiter.
Schneller als erwartet, gewöhnten wir uns an das hiesige sehr gleichmässige Klima. Die Tagestemperaturen bewegen sich zwischen 28 und 34° Celsius, in der Nacht zwischen 25 und 28°. Die Luftfeuchtigkeit ist mit ca. 80 % recht hoch, was zur Folge hat, dass man schon bei der kleinsten Anstrengung ins Schwitzen kommt. Aber auch daran gewöhnt man sich sehr schnell, vor allem auch deshalb, weil hier vom Meer her immer eine angenehme Brise weht.
Kleider machen Leute
Da wir uns hier ja in die Bevölkerung integrieren wollen, haben wir von Anfang an darauf geachtet, möglichst nicht durch westliche Kleidung aufzufallen. So trägt Hans im Haus die hier üblichen Dothi oder Lunghi, ein weisses bzw. farbiges Hüfttuch, darüber ein Hemd oder nur einen dünnen Schal. Auf die Strasse geht er mit der Kurta, das ist eine lange Hose und darüber ein bis unter die Knie reichendes Hemd, beides aus Baumwolle und sehr bequem zu tragen. Ich habe daheim meistens einen langen Jupe und eine Bluse an. Ausser Haus trage ich den Churydar (lange Hose, darüber ein langer Rock sowie einen dazugehörigen Schal) oder einen Sari. Dieser besteht aus einem sechs Meter langen Stück Stoff, welches kunstvoll um den Körper drapiert wird, darunter trägt man einen Unterrock und eine ganz eng geschnittene kurze Saribluse. Als Fussbekleidung tragen hier alle einfache Schlappen. Mit anderen Worten: die Kleiderfrage ist für uns hier kein Problem.
Vom Glück verwöhnt
Im Dezember 1996 kam für uns ein weiterer Glücksfall, indem wir zufällig unser Traumhaus fanden. Es ist zwar etwas weiter von der Küste und dem Strand entfernt, aber wir haben von hier aus einen wunderschönen Ausblick auf die palmenbewachsenen Täler unter uns. Wenn wir die Miete mit der Schweiz vergleichen, können wir hier für den Betrag, den wir in Bern für unsere Wohnung im Monat bezahlen mussten, ein ganzes Jahr in diesem grossen Haus wohnen. Ueberhaupt sind die Lebenshaltungskosten hier so niedrig, dass wir mit der Altersrente meines Mannes sehr gut und komfortabel leben können.
Ein so grosses Haus gibt natürlich entsprechend viel Arbeit. So haben wir nach einer Hausangestellten gesucht. Nach zwei vergeblichen Anläufen haben wir unsere Santha gefunden, welche sich als wirkliche Perle herausgestellt hat. Sie wohnt bei uns in der neben dem Haus gelegenen Dienstbotenwohnung. Santha kauft täglich auf dem nahen Markt ein und verwöhnt uns mit der keralitischen Küche. Daneben hält sie unser Haus sauber, so dass ich mich um gar nichts mehr kümmern muss und mich ganz unseren Gästen widmen kann. Seit Oktober 1997 haben wir auch Savitha, das fünfjährige Töchterchen unserer Hausangestellten, bei uns aufgenommen. Savitha bereitet uns sehr viel Freude und bereichert unseren Alltag. Sie besucht eine englische Schule am anderen Ende von Varkala. Savitha hat in ihrem kurzen Leben schon viel Leid erfahren müssen, um so mehr erfüllt es uns heute mit Genugtuung, dass wir ihrer Mutter und ihr ein sicheres Zuhause bieten, für den Lebensunterhalt aufkommen und somit ein kleines Stück des uns zufallenden Glücks weiter geben können.
Fremde Länder, fremde Speisen
Soweit die Erklärungen von Yvonne, während am Horizont die Sonne in einer grossen orangefarbigen Scheibe ins Meer versinkt. Wir gehen hinunter ins grosse Esszimmer, wo Santha den Tisch gedeckt hat. Nach keralitischer Sitte schöpft sie uns ein köstliches vegetarisches Mahl auf ein grosses Bananenblatt. Nebst Reis gibt es sieben verschiedene Gemüsecurries, jedes hat einen andern Geschmack. Dazu gibt es knackiges Paparam, eine Art Fasnachtsküchlein, aber statt süss, recht scharf. Die Curries sind herrlich würzig, doch nicht so scharf, dass einem die Luft wegbleibt. Zum Trinken gibt es Mineralwasser. Das Ungewohnte für mich war, dass kein Besteck vorhanden war und wir mit den Fingern essen mussten, wie es hier die Einheimischen tun. Yvonne zeigte mir, wie man das Essen mit den Fingern in den Mund bringt und meinte dazu lachend: nicht dass du jetzt meinst, wir essen immer so, gewöhnlich benützen wir auch Teller und Besteck. Dies hier mit dem Bananenblatt hat sich Santha zu deiner Begrüssung ausgedacht. Zum Dessert gab es jede Menge von verschiedenen frischen Früchten, köstliche Bananen, Ananas, Mangos, Papayas, Orangen und Trauben. Nachher tranken wir Chaya, den Tee, welcher mit Milch und Zucker gemischt und dann so serviert wird. Es würde zu weit führen, alle die Gerichte aufzuzählen, welche ich während meines Besuches hier kosten durfte. Jedoch habe ich mein Vorurteil gegenüber der vegetarischen Kost schnell revidieren müssen, denn die keralitische Küche bietet mit ihren einfachen, aber raffiniert zubereiteten Spezialitäten so viel Abwechslung, dass sie einem gar nie verleiden kann.
Am nächsten Tag zeigte mir Yvonne das grosse Haus und den Garten. Was mich am meisten verblüffte, waren die beiden grossen Küchen. Ich liess mich belehren, dass man diese Aufteilung in grossen Häusern recht oft findet. Man unterscheidet dabei zwischen der grossen Küche, in welcher gekocht und die Speisen zum servieren vorbereitet werden und der kleinen, sogenannten schmutzigen Küche, in welcher das Gemüse gerüstet, der Fisch geputzt wird, etc. Im oberen Stockwerk befinden sich die beiden grossen und komfortabel eingerichteten Gästezimmer, jedes natürlich mit eigenem Badezimmer. Eine grosse gedeckte Terrasse ist für die Gäste reserviert und lädt zum ausruhen, lesen oder einfach dasitzen ein. Der elterlichen Tradition folgend vermietet Yvonne diese beiden Gästezimmer an Touristen, welche ihr durch befreundete Reisebüros vermittelt werden. Es sind vornehmlich Gäste, welche es vorziehen, Kerala individuell zu bereisen und nicht in Gruppenhorden von Ort zu Ort gehetzt werden wollen. Aus der Not haben so Yvonne und Hans eine Tugend gemacht und ein eigenes kleines Reisebüro aufgezogen, die Merlotscha Travels Kerala. Ausser der persönlichen Betreuung der Gäste können sie verschiedene Ausflüge und individuelle Rundreisen in Kerala organisieren. Damit ist gewährleistet, dass die Gäste ohne Stress möglichst viele Eindrücke von Kerala gewinnen und mit nach Hause nehmen können.
Integration als Lernprozess
Und wie war es mit dem viel zitierten Kulturschock? Meine Gastgeber meinten, der Kulturschock hätte sie zwar nicht gerade umgehauen, aber das eintauchen in diese für uns doch sehr fremde Kultur sei nicht nur eine überwältigende und faszinierende Erfahrung, sondern auch ein Lernprozess, welcher Jahre dauert. Man benötigt dafür eine gesunde Neugier und Offenheit, um die ganz anderen Umstände und Gewohnheiten zu akzeptieren. Vor allem darf man nicht den Fehler begehen, alles immer mit Europa oder der Schweiz vergleichen zu wollen. Wohl in keinem anderen Land als in Indien finden sich so unendlich grosse Gegensätze. Uralte Traditionen und modernste Technik berühren sich praktisch nahtlos. Dazu kommt die tiefe Verwurzelung in den religiösen Bräuchen. Eine Besonderheit in Kerala ist das friedliche Zusammenleben verschiedener Religionen; den Hauptteil machen die Hindus aus, je ungefähr einen Viertel stellen die Moslems und Christen und ein kleinerer Anteil sind Buddhisten. Das Eigenartige dieser gemischten Religionsgemeinschaft besteht darin, dass alle immer gemeinsam alle ihre religiösen Feste feiern - und deren gibt es hier unzählige. Yvonne empfiehlt in diesem Zusammenhang allen Reisenden, welche Indien zum ersten Mal besuchen, sich vor Antritt der Reise unbedingt durch Reiseführer und entsprechende Literatur vorzubereiten. So ist es einfacher, der Andersartigkeit dieses in alten Traditionen verwurzelten Volkes zu begegnen und dessen vielfältige Sitten und Gebräuche besser verstehen zu lernen.
Ich könnte noch so viel erzählen von meinen Aufenthalt in Varkala, von den vielen unvergesslichen Eindrücken und Erlebnissen in Kerala und der kurzen Rundreise durch diesen interessanten Staat in Südindien. Und ich kann jetzt auch Yvonne und Hans verstehen, wenn sie freudestrahlend bestätigen, dass sie ihren Entschluss, nach Kerala auszuwandern, noch keine Sekunde bereuten und glücklich sind, hier eine neue Heimat gefunden zu haben.
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